Prüfungsbesprechung

Praxisbeispiel

Der Schüler einer chinesischen Kooperationsschule absolviert im Sommer 2016 erfolgreich das Gaokao (chinesisches Äquivalent zum deutschen Abitur) sowie die DSD-I-Prüfung. Er nimmt an der elektronischen Aufnahmeprüfung (Mathematik) des ISSK teil und schreibt sich für den T-Kurs ein. Zum Herbsthalbjahr 2016 beginnt er seine Ausbildung am ISSK und nimmt Ende des Frühjahrshalbjahres 2017 an der FSP teil:

Ergebnis der FSP

Informatik:      Sehr gut

Mathematik:   Sehr gut

Physik:           Gut

Deutsch:        Nicht bestanden

Es ist bedeutsam, dass der Student fachlich und auch sprachlich im Grunde vorbereitet ist, immerhin hat er gute Ergebnisse in Informatik, Mathematik und Physik vorzuweisen, allesamt Fächer, die in deutscher Sprache gehalten und auch geprüft werden. Dennoch besteht er die FSP-Deutsch nicht: Weil in der Prüfung nicht allein sprachliche Kompetenzen, sondern Transferkompetenzen abgefragt werden.

Prüfungsbesprechung

Diese Problematik lässt sich in den Prüfungsteilen gut nachvollziehen. Hier Auszüge aus der Prüfung des betreffenden Studenten:

Die Grammatik-Aufgaben wurden richtig gelöst und die Selbstkorrektur in der zweiten Aufgabenstellung betrifft allein die Konkretisierung der zeitlichen Abfolge, deren Problematisierung sich in der Umwandlung des Attributes geradezu zwangsläufig ergibt. Der Schüler hat mit dem Typus geschlossener Aufgabenstellungen wenige Probleme - ein anderes Bild zeigt sich dann, wenn die Fragen halboffen bzw. offen gestellt sind:

Hier sind die Schwierigkeiten mit den nun offenen Fragen bereits allein im Erscheinungsbild deutlich zu erkennen: Das Schriftbild wirkt hektischer, die Fehler häufen sich und viele Ausstreichungen deuten an, dass der Prüfling kaum mehr souverän agiert; tatsächlich ist Inhalt sowie Sprache eher im A2- bis B1-Bereich angesiedelt: Besonders markant ist, dass die eigentlich fundiert beherrschten und im obigen Prüfungsteil nachgewiesenen Grammatikkenntnisse dann weitgehend verloren gehen, wenn sie in die Praxis überführt werden sollen. Die Grammatik liegt demnach theoretisch vor, kann aber in der Praxis nur unzureichend umgesetzt werden.

Besonders markant werden die Defizite in der Textproduktion des Studenten deutlich:

Die einzelnen Prüfungsteile sind in diesem Fall wie folgt bewertet:

Leseverstehen: Nicht ausreichend (5)
Wissenschaftssprachliche Strukturen: Gut (2,3)
Hörverstehen: Nicht ausreichend (5)
Textproduktion: Ausreichend (4)

Zusammenfassung

Die Prüfungsbesprechung zeigt folgende Problemfelder auf:

Probleme in den Basisfertigkeiten:
- Grammatik: Theoretisch gesichertes Wissen bedeutet nicht zwangsläufig die Befähigung zur praktischen Umsetzung;
- Wortschatz: Gelerntes und auch gesichertes Vokabular wird in der Praxis nicht oder nur unzureichend genutzt;
- Redemittel: Sind wie Vokabeln statisch gelernt, werden dann aber strukturell falsch verwendet und oftmals grammatisch fehlerhaft, da schablonenhaft eingesetzt;

= Es wird die grundsätzliche Schwierigkeit zwischen theoretisch erlerntem Wissen und der praktischen Umsetzung deutlich;

Probleme mit speziellen Aufgabenstellung:
- Offene Fragestellungen: Der Transfer vom faktischen Verständnis in neue Zusammenhänge scheitert zumeist;
- Zusammenfassungen: die Differenzierung zwischen wichtigen vs. unwichtigen Informationen kann nicht adäquat vollzogen werden, da es nicht gelingt, eine übergeordnete bzw. selbstbewusste Haltung zur Informationsquelle (hier: dem Text) einzunehmen. In diesem Sinn ist der Text sakrosankt, also unantastbar, der Autor damit unfehlbar, weshalb es auch keine unwichtigen Informationen geben kann, weil der Autor keinen Fehler machen darf;
- Argumentation: Oftmals fehlt eine Begründungskultur, also die Notwendigkeit, argumentativ Stellung zu beziehen und sich oder eine Meinung gegenüber Kritik zu belegen und zu stärken;

Übergeordnete Defizite:

- Landeskunde: Das „Weltwissen“, also das tiefgreifende Verständnis von Zusammenhängen, liegt nur lückenhaft vor, was die Argumentationsfähigkeit beeinträchtigt. Zumeist wird ein Problem, eine Fragestellung, ein Motiv isoliert betrachtet;
- Insgesamt liegt eine fehlende Kommunikationsfähigkeit, vor allem aber Kommunikationsbereitschaft vor.